Arzneimittelinteraktionen können zu erwünschten, aber auch zu verminderten und unerwünschten Wirkungen führen. Die Wahrscheinlichkeit von (pharmakokinetischen) Wechselwirkungen steigt vor allem dann, wenn gemeinsame Stoffwechselwege genutzt werden und eine wechselseitige Beeinflussung des Metabolismus stattfindet.
Kontrovers diskutiert wird derzeit eine mögliche Wechselwirkung zwischen Sertralin und Lamotrigin mit einer wahrscheinlich erhöhten Auftretenswahrscheinlichkeit unerwünschter Arzneimittelwirkungen, wobei die Datenlage derzeit noch keine eindeutigen Schlüsse zulässt.
Wir möchten trotzdem an dieser Stelle auf die Möglichkeit einer Interaktion zwischen Sertralin und Lamotrigin hinweisen, weil sie vor allem mit einer erhöhten Inzidenz von unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Sinne idiosynkratischer Hautreaktionen einhergehen könnte. Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Stimmungsstabilisierer
Antikonvulsiva in der Behandlung der bipolaren Depression – Stand Frühjahr 2008
Bei der Behandlung der bipolaren Depression hat in den letzten Jahren aufgrund neuer Studienergebnisse ein Umdenken stattgefunden. Die Wirksamkeit der Antikonvulsiva bei der akuten bipolaren Depression wird in meheren Studien hinterfragt.
Kleinere, auch Placebo-kontrollierte Studien legen eine antidepressive Wirksamkeit von Carbamazepin bei bipolarer Depression nahe.
Valproinsäure war lediglich in zwei sehr kleinen Plazebo-kontrollierten Studien bei der bipolaren Depression wirksam. In einer achtwöchigen Studie an 25 ambulanten Patienten konnte eine signifikante Überlegenheit für Valproinsäure im Vergleich zu Placebo in der Wirksamkeit in der Akutbehandlung der bipolaren Depression gezeigt werden .Davis et al. J Affect Disord. 85:259, 2005
Dies konnte in einer sechswöchigen Studie an 18 nicht therapierefraktären Patienten bestätigt werden. Ghaemi et al., J clin Psychiatry 68:1840, 2007
Lamotrigin ist für die Prophylaxe depressiver Episoden bei bipolaren Störungen zugelassen. Wieweit sich die Wirksamkeit von Lamotrigin auch bei der akuten bipolaren Depression nachweisen ließ, blieb zunächst unklar. Eine neue Metaanalyse über fünf doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studien zu Lamotrigin in der akuten Behandlung der bipolaren Depression kommt nun zu dem Ergebnis, dass Lamotrigin Placebo hinsichtlich der antidepressiven Wirksamkeit nicht überlegen ist. Calabrese et al., Bipolar Disord. 10:323, 2008
In den 5 Studien wurden jeweils ca. 200 Patienten randomisiert. Die Dosis von Lamotrigin betrug bei Abschluss der sieben bis zehn Wochen langen Studien 200 – 400 mg/Tag.
Lediglich in einer Studie fand sich eine signifikante Überlegenheit von Lamotrigin gegenüber Placebo in der Besserung von Item 1 (Stimmung) in der Hamilton Depression Rating Scale (HAMD). In dieser Studie verbesserte sich auch die Gesamtsumme in der Montomery-Asberg Depression Rating Scale (MADRS) für Lamotrigin verglichen zu Placebo. Der prozentuale Anteil an Respondern (MADRS-Reduktion von mindestens 50%) zwischen Lamotrigin und Placebo unterschied sich in dieser Studie aber nicht von den anderen Studien.
In keiner der anderen 4 Studien fand sich eine signifikante Überlegenheit von Lamotrigin gegenüber Placebo in der Besserung der Gesamtsumme des HAMD. Auch der prozentuale Anteil an Respondern (HAMD-Reduktion von mindestens 50%) zwischen Lamotrigin und Placebo unterschied sich in keiner der Studien signifikant.
Die Autoren dieser Metaanalyse räumen ein, dass der fehlende Wirksamkeitsunterschied zwischen Lamotrigin und Placebo auf eine starke Placebo-Response zurückgeführt werden könnte. Die Placebo-Response war vergleichsweise niedrig in der Studie, die eine Überlegenheit für Lamotrigin zeigte. Die Metaanalyse kommt zu dem Ergebnis, dass eine Lamotrigin-Monotherapie gegenüber Placebo in der Akutbehandlung der bipolaren Depression nicht überlegen ist.
Unter Berücksichtigung dieser neuen Studien empfehlen wir folgendes Vorgehen bei der Behandlung der akuten bipolaren Depression:
1. Leichte depressive Episoden sollten mit Verhaltenstherapie und einem Stimmungsstabilisierer bzw. AAP (Lithium, Quetiapin oder in zweiter Linie Olanzapin) behandelt werden, um das Risiko, eine Manie oder ein Rapid cycling zu induzieren, gering zu halten.
2. Bei mittelschweren und schweren depressiven Syndromen, insbesondere solchen mit Suizidalität, kann nicht auf die Gabe eines Antidepressivums verzichtet werden. Dann sollte zunächst auf einen SSRI oder Bupropion zurückgegriffen werden; TZA und Venlafaxin sind zu meiden. Es ist jedoch unklar, wann die antidepressive Therapie beendet werden soll, um das Risiko, eine Manie oder ein Rapid cycling zu induzieren, zu minimieren. Neuere Studien zeigen für die Behandlung mit SSRI oder Bupropion kein erhöhtes Risiko für ein Umkippen in eine Manie (allerdings wird auch ihre Wirksamkeit bei bipolarer Depression in Frage gestellt).
3. Entscheidet man sich für die Gabe von Antidepressiva, sollte dies unter dem Schutz eines Stimmungsstabilisierers (s. Punkt 1) erfolgen.
4. Bei Veränderung des Zulassungsstatus könnte Quetiapin (300 mg/Tag) Mittel der ersten Wahl werden.
Olaf Möller, Aachen
Gerhard Gründer, Aachen
Otto Benkert, Mainz
Mai 2008
Addendum zur News zu Valbenazin vom 13. 7. 17
Für Valbenazin und Deutetrabenazin besteht wegen möglicher QTc-Verlängerungen auch in klinisch üblichen Dosierungen ein mögliches Risiko für Torsades de Pointes (TdP) [1]
[1] https://crediblemeds.org/blog/four-drugs-added-crediblemeds-qtdrugs-lists vom 31.07.2017