Daridorexant – erster dualer Orexin-Antagonist zur Behandlung der Insomnie in der EU zugelassen

Daridorexant (Handelsname Quiviq) wurde am 29. April 2022 von der Europäischen Kommission als Hypnotikum zugelassen (Europäische Kommission 2022). Damit ist dieses Arzneimittel der erste in der EU zugelassene duale Orexin-Antagonist. Der Hersteller, die Firma Idorsia, beabsichtigt die Markteinführung in einigen europäischen Ländern bis Ende dieses Jahres (Idorsia 2022 b). In den USA ist die Substanz schon seit Anfang Mai 2022 erhältlich (Idorsia 2022 a). Dort sind bereits zwei DORAs, Suvorexant (Drugs.com 2022) und Lemborexant (Esai 2019) seit 2014 bzw. 2019 eingeführt. DORAs sind eine neue Klasse von Hypnotika, die die Bindung der beiden Neuropeptide Orexin A und B an ihre Rezeptoren im ZNS hemmen. Dadurch wird die Stabilisierung des Wachzustandes durch die Orexine behindert und Schlaf gefördert (Equihua et al 2013). Weiterlesen

Esketamin Nasenspray (Spravato®) – frühe Nutzenbewertung nach §35a SGB V

Am 6.10.21 veröffentlichte das Bundesministerium für Gesundheit den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur frühen Nutzenbewertung von Esketamin Nasenspray (Spravato®) in den Indikationen therapieresistente Depression und akute Kurzzeitbehandlung zur schnellen Reduktion depressiver Symptome, die nach ärztlichem Ermessen einen psychiatrischen Notfall darstellen.

Für Esketamin Nasenspray in der Indikation als akute Kurzzeitbehandlung zusammen mit einem Antidepressivum zur schnellen Reduktion depressiver Symptome, die nach ärztlichem Ermessen einem psychiatrischen Notfall entsprechen kam der G-BA dabei zu einem positiven Ergebnis der Nutzenbewertung mit Anhalt für einen geringen Zusatznutzen (https://www.bundesanzeiger.de/pub/publication/PbEtLs1QJpIrDWRfA3G/content/PbEtLs1QJpIrDWRfA3G/BAnz%20AT%2006.10.2021%20B2.pdf). Grundlage der Entscheidung waren die Ergebnisse zweier randomisierter Phase-III-Studien. Hier fand sich eine Verbesserung der allgemeinen depressiven Symptomatik im Vergleich zu einer aktiven Vergleichstherapie. Weiterlesen

COVID-19-Infektionen und –Impfung – Konsequenzen für psychopharmakologische Therapien

Seit Dezember 2019 hat sich die Pandemie des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS), verursacht durch das Coronavirus Typ 2 (CoV-2), weltweit ausgebreitet. Bis Ende Juli 2021 wurden knapp 200 Millionen Infizierte gemeldet, über vier Millionen sind an der Infektion COVID-19 gestorben (https://www.worldometers.info/coronavirus/). Bei Ausbruch der Pandemie standen keine Medikamente für die Behandlung zur Verfügung. Es wurden mehr als 60 Arzneistoffe als mögliche experimentelle Therapeutika vorgeschlagen, antivirale Substanzen wie Remdesivir (zugelassen zur Behandlung von Ebola), Lopinavir/Ritonavir (zugelassen für die Behandlung von HIV) oder Substanzen mit immunsuppressivem Potential wie Hydroxychloroquin (zugelassen zur Behandlung von rheumatoider Arthritis, Lupus erythematodes und Malaria) oder der Interleukin-6-Antagonist Tocilizumab (zugelassen zur Therapie der rheumatoiden Arthritis und des Zytokin-Freisetzungs-Syndroms) (Nitulescu et al. 2020). Dexamethason senkt nach Studien das Sterberisiko bei Patienten mit COVID-19 und der Notwendigkeit einer Sauerstofftherapie um bis zu einem Drittel. Eine entsprechende Zulassungserweiterung hat die EMA im September 2020 empfohlen (https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/a-f/dexamethason.html). Auch mit den verwandten Cortison-Derivaten Hydrocortison und Methylprednisolon wurden in Studien Therapieverbesserungen erzielt (https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/woran-wir-forschen/therapeutische-medikamente-gegen-die-coronavirusinfektion-covid-19). Weiterlesen

Eszopiclon (Lunivia) – als Hypnotikum in Deutschland eingeführt

Eszopiclon ist das rechtsdrehende Stereoisomer von Zopiclon. Es
vermittelt die hypnotische Wirksamkeit dieses Razemats (Monti und
Pandi-Perumal 2007). In den USA ist Eszopiclon (aber nicht Zopiclon)
seit 2004 eingeführt. Umgekehrt ist seit 1991 Zopiclon, aber nicht
Eszopiclon, in der Europäischen Union einschließlich Deutschland
zugelassen. Im Jahr 2009 befürwortete der zuständige Ausschuss der
European Medicines Agency (EMA) das vom US-amerikanischen
Hersteller beantragte Inverkehrbringen von Eszopiclon, lehnte jedoch
die Anerkennung dieser Substanz als neuartiges Arzneimittel ab. Da
dadurch der Substanz der zehnjährige Patentschutz verwehrt worden
wäre, zog der Hersteller seinen Antrag zurück (EMA 2009 a und b). Im
April 2021 wurde nun Eszopiclon nach Zulassung durch das BfArM
von der Firma Hennig unter dem Markenamen Lunivia auf dem
deutschen Markt eingeführt.
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SSRI – neue Daten zum erhöhten Risiko eines Rezidivs einer intrakraniellen Blutung

Insbesondere für Antidepressiva mit starker Hemmung der Serotoninwiederaufnahme scheint aufgrund ihrer Wirkung auf die Thrombozytenaggregation insgesamt ein geringfügig erhöhtes Risiko für spontane intrakranielle Blutungen (ICB) zu bestehen (siehe Kap. 1.5.3 im Kompendium). Nun zeigt eine kürzlich publizierte Studie entsprechend auch bei Patienten mit ICB ein erhöhtes Risiko einer erneuten ICB bei Einnahme von SSRI auf (Kubiszewski et al., 2021). Weiterlesen

Xywav (Kalzium-, Magnesium-, Kalium- und Natrium- Oxybate) – Erste Studienergebnisse zur Behandlung der Idiopathischen Hypersomnie

Die Idiopathische Hypersomnie ist eine seltene Schlafstörung, die zur Gruppe der Hypersomnien gehört. Leitsymptom ist eine exzessive Tagesschläfrigkeit. Bei den betroffenen Patienten kommt es trotz verlängertem Nachtschlaf tagsüber zu ungewolltem, nicht vermeidbarem Einschlafen mit ausgedehnten, nicht erholsamen oder auch meist erschöpfenden Schlafepisoden. Diese sind nicht durch die verlängerte Schlafdauer erklärbar. Die Übergangszeiten nach dem Aufwachen bis zum Wachzustand sind typischerweise durch Schlaftrunkenheit gekennzeichnet. Die negativen Auswirkungen dieser Erkrankung im sozialen Umfeld und in Schule und Beruf sind erheblich.

Nach dem Klassifikationssystem für Schlafstörungen ICSD 3 werden die beiden Formen Idiopathische Hypersomnie mit langer Schlafzeit und Idiopathische Hypersomnie ohne lange Schlafzeit unterschieden. Derzeit gibt es weder in Europa noch in den USA ein Arzneimittel zur Behandlung dieser Schlafstörung.
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Solriamfetol – zur Behandlung exzessiver Tagesschläfrigkeit bei Narkolepsie und obstruktiver Schlafapnoe in Deutschland eingeführt

Mit Solriamfetol (Sunosi) wurde kürzlich ein neues Arzneimittel auf dem deutschen Markt für die Behandlung exzessiver Schläfrigkeit (EDS) von Patienten mit Narkolepsie und mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom (OSA) eingeführt, deren übermäßige Tagesschläfrigkeit nicht durch eine primäre OSA-Therapie, wie z.B. CPAP (continuous positive airway pressure) zufriedenstellend behandelt werden konnte. Es handelt sich dabei um einen selektiven Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer. Solriamfetol fördert den Wachzustand auf unterschiedliche Weise verglichen zu Modafinil, Methylphenidat oder Pitolisant. Die Wirkung der Substanz wird wahrscheinlich über Dopamin- und Noradrenalin-Transporter, aber nicht über Histamin oder Orexin vermittelt (Baladi et al. 2018). Weiterlesen

Buprenorphin-Depotpräparate – neue Depotformulierungen zugelassen

Seit November 2018 ist mit Buvidal erstmals ein Buprenorphin-Depotpräparat für die Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen ab 16 Jahren erhältlich. Buvidal wird einmal wöchentlich oder einmal monatlich als Injektion unter die Haut verabreicht (Soyka & Pogarell, 2019).
Voraussichtlich werden in Kürze zwei weitere Buprenorphin-Depotpräparat eine Zulassung erhalten: das Einmonatsdepot RBP-6000 (Sublocade) und das 6-Monats Depotimplantat (Probuphine).
Mit dem Depot soll die Adhärenz gesteigert, unbeabsichtigte Exposition von Kindern und Missbrauch vermieden und die Belastung durch tägliche überwachte Einnahme reduziert werden.
Aktuelle Daten aus der Behandlung von 428 opioidabhängigen Patienten zeigten, dass über einen Zeitraum von 28 Wochen 35% der Patienten, die Buvidal erhielten, negative Urinkontrollen für (andere) Opioide aufwiesen, im Vergleich zu 28% der Patienten unter Behandlung mit Buprenorphin sublingual als Vergleichstherapie (EMA 2018).
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Psychostimulantien – Vergleich der Empfehlungen medikamentöser Therapien beim ADHS in der Cortese-Meta-Analyse und der S3-Leitlinie

Cortese et al. (2018) haben in einer großen Metanalyse die Wirksamkeit und Verträglichkeit von verschieden Substanzen beim ADHS gegeneinander bzw. gegen Placebo untersucht. Insgesamt flossen 133 Studien (81 Studien mit Kindern und Jugendlichen, 51 mit Erwachsenen, eine Studie mit allen Altersgruppen), teilweise waren auch nicht publizierte Studien, in die Auswertung ein. Die Gesamtzahl der Patienten betrug in Hinblick auf die Wirksamkeit nach 12 Wochen 10.068 Kinder und Jugendliche sowie 8.131 Erwachsene und im Hinblick auf die Verträglichkeit 11.018 Kinder und Jugendliche sowie 5.362 Erwachsene. Die untersuchten Substanzen waren: Amphetamin (einschließlich Lisdexamphetamin), Atomoxetin, Bupropion, Clonidin, Guanfacin, Methylphenidat und Modafinil. Die primären Outcome-Parameter waren die Wirksamkeit auf die ADHS-Kernsymptomatik im Lehrer- und Arzt-Rating und die Verträglichkeit, die mit der Drop-out Quote gemessen wurde. Die Untersuchungszeiträume waren nach 12, 26 oder 52 Wochen. Es wurde jeweils die Odds-Ratios und standardisierten Mittelwerte bestimmt. Weiterlesen

Citalopram und Escitalopram – Pharmakodynamische und pharmakokinetische Unterschiede und klinische Konsequenzen

Bei einem chiralen Molekül können die einzelnen Stereoisomere Unterschiede hinsichtlich ihrer pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Eigenschaften aufweisen. Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Citalopram ist ein razemisches Gemisch aus S-(+)Citalopram (Escitalopram) und R-(-)Citalopram. Dabei zeigt Escitalopram eine hohe Affinität für den Serotonintransporter und führt zu einer Serotoninwiederaufnahmehemmung, während R-Citalopram nur eine geringe Affinität für den Serotonintransporter aufweist. Entsprechend wird die antidepressive Wirkung von Citalopram allein dem Anteil an Escitalopram zugeschrieben, während R-Citalopram keine Wirkung am Serotonintransporter zeigt und damit als inaktives Stereoisomer gilt.
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