Mit Solriamfetol (Sunosi) wurde kürzlich ein neues Arzneimittel auf dem deutschen Markt für die Behandlung exzessiver Schläfrigkeit (EDS) von Patienten mit Narkolepsie und mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom (OSA) eingeführt, deren übermäßige Tagesschläfrigkeit nicht durch eine primäre OSA-Therapie, wie z.B. CPAP (continuous positive airway pressure) zufriedenstellend behandelt werden konnte. Es handelt sich dabei um einen selektiven Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer. Solriamfetol fördert den Wachzustand auf unterschiedliche Weise verglichen zu Modafinil, Methylphenidat oder Pitolisant. Die Wirkung der Substanz wird wahrscheinlich über Dopamin- und Noradrenalin-Transporter, aber nicht über Histamin oder Orexin vermittelt (Baladi et al. 2018).
Zwei kleinere Phase-3-Studien (Bogan et al 2015, Ruoff et al 2016) und eine größere an 231 Patienten (Thorpy et al 2019) zeigten eine Verbesserung von Wachheit und/oder EDS unter täglichen Dosen von 75 und von 150mg Solriamfetol. Mithilfe von multiplen Wachtests wurde nach 12-wöchiger Behandlung eine Zunahme der Schlaflatenz und eine Abnahme der mit Fragebogen erfassten exzessiven Tageschläfrigkeit (ESS) festgestellt (Thorpy et al. 2019). In einer weiteren Studie wurden die gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie Beeinträchtigungen bei der Arbeit und bei Freizeitaktivitäten von Patienten mit Narkolepsie unter Solriamfetol, vor allem bei einer Tagesdosis von 150 mg, verbessert (Drake et al 2017).
Zwei Phase-3-Studien zeigten, dass bei Patienten mit OSA Wachheit zunimmt und die mit Fragebogen erfasste Tagesschläfrigkeit abnimmt (Schweizer et al 2019).
Eine Phase-3-Langzeitstudie zeigte, dass Patienten mit exzessiver Tagesschläfrig-keit bei Narkolepsie (n=226) bzw. OSA (n=417) von langfristiger Erhaltungstherapie mit Solriamfetol über bis zu 52 Wochen profitieren. Es zeigten sich anhaltende Verbesserungen der Tagesschläfrigkeit und der Lebensqualität (Malhotra et al. 2019, Weaver et al 2019),
Kopfschmerzen, Nausea, verminderter Appetit, Angst und Schlaflosigkeit sind die häufigsten Nebenwirkungen. Das Arzneimittel ist im Allgemeinen gut verträglich; die Nebenwirkungen sind gering bis mäßig ausgeprägt (Deeks und Heo 2020.
Damit steht ein weiteres Medikament zur Behandlung der exzessiven Tagesschläfrigkeit bei Narkolepsie zur Verfügung. Es ist für Patienten mit Narkolepsie mit und ohne Kataplexie zugelassen, wirkt aber nicht antikataplektisch. Weiter ist Solriamfetol das einzige derzeit in der EU zugelassene Medikament zur Behandlung der Tagesschläfrigkeit bei OSA. Solriamfetol ist aber keine geeignete Therapie für die dem OSA zugrundliegende Atemwegsobstruktion. Während der Medikation mit Solriamfetol soll die primäre Behandlung der OSA, z.B. mit CPAP fortgesetzt werden.
Zu besonderen Patientengruppen ist Folgendes festzuhalten. Nur begrenzte Daten liegen zu älteren Patienten vor. Da bei diesen eine verminderte Nierenfunktion möglich ist, muss die Dosis unter Umständen der Kreatinin-Clearance angepasst werden. Bei mäßiger und schwerer Nierenfunktionsstörung wird eine verringerte Dosis empfohlen. Psychiatrische Symptome und Syndrome, z.B. manische Syndrome können sich unter Gabe der Substanz verschlimmern. Daher ist Vorsicht bei Komorbidität mit psychiatrischen Störungen wie Psychosen und bipolarer Störung oder mit entsprechender Anamnese geboten. Bei Andauern oder Verschlimmerung ist eine Dosisreduktion oder das Absetzen zu erwägen.
Die Behandlung mit Solriamfetol führt zu dosisabhängigen Anstiegen von Blutdruck und Herzfrequenz. Vor und während einer Behandlung mit Solriamfetol muss der Blutdruck kontrolliert werden. Ein sich entwickelnder Hypertonus muss behandelt werden. Wenn Anstiege von Blutdruck und Herzfrequenz nicht durch entsprechende Behandlung oder Dosisreduktion beherrschbar sind, ist Absetzen zu erwägen.
Viele Patienten mit Narkolepsie und OSA weisen mehrere Risikofaktoren für schwere kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall auf, nämlich Hypertonie, Diabetes, Hyperlipidämie und einen hohen BMI. Die Anwendung der Substanz bei instabilen kardiovaskulären Erkrankungen, schwerwiegenden Arrhythmien und anderen schwerwiegenden Herzproblemen ist kontraindiziert. Vorsicht ist angezeigt bei Patienten mit erhöhtem intraokulärem Druck.
Solriamfetol zeigt ein geringes Missbrauchspotential. Vorsicht ist jedoch angezeigt bei der Behandlung von Patienten mit anamnestisch bekanntem Missbrauch von Stimulanzien oder Alkohol. Es gibt keinen Hinweis auf körperliche Abhängigkeit oder Entzugssymptome bei plötzlichem Absetzen.
Die Substanz darf nicht gleichzeitig mit MAO-Hemmern oder innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung einer Behandlung mit MAO-Hemmern. Bei gleichzeitiger Anwendung mit Arzneimitteln, die Blutdruck und Herzfrequenz erhöhen, ist Vorsicht geboten. Das ist auch der Fall bei Arzneimitteln, die zu einem Anstieg des Dopaminspiegels führen oder direkt an Dopaminrezeptoren binden.
Nach Angaben des Herstellers werden die Kosten für das Präparat bei Patienten mit EDS bei Narkolepsie grundsätzlich von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Jedoch ist für Patienten mit EDS bei OSA die Erstattung durch die GKV entsprechend den Bestimmungen der Arzneimittelrichtlinie bislang nicht gegeben.
Literatur
Baladi MG, Forster MJ, Gatch MB, Mailman RB, Hyman DL, Carter LP, Janowsky A (2018) Characterization of the neurochemical and behavioral effects of solriamfetol (JZP-110), a selective dopamine and norepinephrine reuptake inhibitor Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics 366:367-376
Bogan RK, Feldman N, Emsellem HA, et al. (2015)Efect of oral JZP-
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Drake C, Bogan R, Benes H, et al (2017#9 Function, work productivity,and quality of life measures in a phase 3, randomized, placebo-controlled, double-blind, multicenter, 12-week study of the safetyand efficacy of solriamfetol (JZP-110) for the treatment of excessive sleepiness in patients with obstructive sleep apnea [abstractno. 0.37-P2+poster]. Sleep Med. 2017;40(Suppl 1):e81–2.
Jazz Pharmaceuticals. (2020) Fachinformation Sunosi
Malhotra A, Shapiro C, Pepin JL, et al(2020? Long-term study of the safety and maintenance of efficacy of solriamfetol (JZP-110) in the treatment of excessive sleepiness in participants with narcolepsy or obstructive sleep apnea. Sleep.;43:zsz220.
Ruoff C, Swick TJ, Doekel R, et al (2016) Effect of oral JZP-110 (ADX-
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Schweitzer PK, Rosenberg R, Zammit GK, et al (2019) Solriamfetol
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Weaver T, Pepin JL, Schwab R, et al (2019)Long-term efects of solri-
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[abstract no. 0601]. Sleep;42(Suppl 1):A239.
Axel Steiger, Kaiserslautern [profsteiger@gmail.com