Adipositas und ihre Begleiterkrankungen führen zu großem Leid bei den betroffenen Patienten und erzeugen große finanzielle Folgeschäden in den sozialen Sicherungssystemen. Zu den Begleiterkrankungen gehören u. a. arterielle Hypertonie, Typ 2-Diabetes, Erkrankungen des Herzens und der Leber sowie eine Reihe von Krebsarten. Diese Folgekrankheiten entstehen wahrscheinlich durch adipositasbedingte Veränderungen in der DNA-Methylierung, wie eine kürzlich in der Zeitschrift Nature publizierte Studie zeigen konnte [1].
Das Liraglutid (Saxenda), ein Glucagon-like Peptide (GLP-1)-Analogon, ist in Europa für die Behandlung der Adipositas zugelassen. Es hat bei Patienten mit Adipositas in mehreren randomisierten und kontrollierten klinischen Studien und in der Praxis seine gewichtsreduzierende Wirkung und einen günstigen Einfluss auf den Blutdruck und die Blutzuckerkonzentration gezeigt [2] (s. auch Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, 11. Auflage).
Neue Studien zeien nun, dass Liraglutid nicht nur das Körpergewicht senkt, sondern auch das Risiko für Folgeehrkrankungen reduziert. Beispieslweise berichtet eine in Lancet publizierte Studie an 2254 Patienten, dass Liraglutid das Risiko für die Diabetesentwicklung signifikant senkt [3]. Auch dass eine Behandlung mit Liraglutid durch Adipositas bedingte Gewebeveränderungen im Sinne einer Fettleber wieder rückgängig machen kann, wurde berichtet [4]. Aus Studien an Patienten mit Typ 2-Diabetes wissen wir bereits, das Liraglutid das Risiko für Herzinfarkt, kardiovaskulär bedingten Tod und Schlaganfall reduziert [5].
Obwohl die Adipositas laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine durch zu hohes Körpergewicht definierte Erkrankung ist [6] und obwohl Liraglutid nicht nur zu Gewichtsabnahme führt, sondern neuen Studien zufolge auch gewichtsbedingte Begleiterkrankungen verhindern kann, wird es in Deutschland vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nur als „Lifestyle Arzneimittel“ angesehen, weil es „der Abmagerung dient“ [7].
Fazit
Liraglutid ist ein wirksames, zugelassenes und zur Gewichtsreduktion sowie zur Verhinderung von Begleiterkrankungen empfehlenswertes Medikament in der Adipositasbehandlung, auch bei psychisch kranken Patienten. Es kann aber aufgrund einer Entscheidung des G-BA nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Hubertus Himmerich, London; [hubertus.himmerich@kcl.ac.uk]
Otto Benkert, Mainz; [otto.benkert@t-online.de]
Literatur
1. Wahl S et al.: Epigenome-wide association study of body mass index, and the adverse outcomes of adiposity. Nature 2017;541:81-86.
2. Khera R et al.: Association of Pharmacological Treatments for Obesity With Weight Loss and Adverse Events: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA 2016;315:2424-2434.
3. le Roux CW et al.: 3 years of liraglutide versus placebo for type 2 diabetes risk reduction and weight management in individuals with prediabetes: a randomised, double-blind trial. Lancet 2017, bislang nur elektronisch publiziert.
4. Armstrong MJ et al.: Liraglutide safety and efficacy in patients with non-alcoholic steatohepatitis (LEAN): a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled phase 2 study. Lancet. 2016;387:679-690.
5. Marso SP et al.: Liraglutide and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2016;375:311-322.
6. WHO: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems 10th Revision, Version 2016.
7. Gemeinsamer Bundesausschuss: Zusammenfassende Dokumentation über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage II – Lifestyle Arzneimittel. Ergänzung und Aktualisierung vom 27. November 2015.