Galantamin ist einer von drei zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz (AD) zugelassenen Acetylcholinesterase-Hemmer (AChEI). Zusätzlich verstärkt es die intrinsische Aktivität von Acetylcholin an nikotinergen α7-Acetylcholinrezeptoren. Die gesteigerte Aktivität des zentralen und peripheren cholinergen Systems kann als unerwünschte Arzneimittelwirkung zu kognitiven Störungen sowie parasympathikolytischen Effekten wie Bradykardien und Synkopen und weiterhin häufig zu gastrointestinalen Störungen (Übelkeit, Diarrhöen etc.) führen.
Der Arzneimittelkommission der deutsche Ärzteschaft (AkdÄ) liegt nunmehr eine Meldung über eine QTc-Zeit-Verlängerung im EKG unter Galantamin mit paralleler klinischer Manifestation von Synkopen vor (http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Bekanntgaben/Archiv/2015/20150417.html). Für eine Kausalität spricht das zeitnahe Auftreten zur Eindosierung sowie die Normalisierung der QTc-Zeit nach Absetzen von Galantamin.
Einer Verlängerung der QTc-Zeit (= frequenzkorrigierte QT-Zeit im EKG) liegt eine pathologische Verlängerung der Repolarisationszeit und damit der vulnerablen Phase des kardialen Aktionspotenzials zugrunde, meist infolge einer Blockade einwärtsgerichteter Kaliumknäle (IKr). Die Folge können lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien durch frühzeitige erneute Depolarisationen sein. Zumeist treten Torsades-de-Pointes (TdP)-Tachykardien auf, die zu Kammerflimmern degenerieren können. Potenziell können QTc-Verlängerungen bei der Mehrzahl der Psychopharmaka auftreten (Lange-Asschenfeldt, J Kardiol 2010). Risikofaktoren sind neben Alter und weiblichem Geschlecht v.a. Bradykardie, Anamnese mit Synkopen, Herzinsuffizienz, Hypokaliämie und –magnesiämie sowie bekanntes Long-QT-Syndrom und insbesondere die Einnahme weiterer QTc-verlängernder Medikamente (Lange-Asschenfeldt, J Kardiol 2010). Vereinzelt sind bereits Fälle unter Galantamin (Nelson & Buchanan, J Clin Psychiatry 2006; Fisher & Davis, Ann Pharmacother 2008) beschrieben worden sowie unter den AChEI Donepezil und Rivastigmin (Walsh & Dourish, Br J Psychiatry 2002; Takaya et al., J Cardiol 2009; Tanaka et al., Intern Med 2009; Leitch et al., BMJ 2007), z.T. über Auftreten von TdP.
Klinische Konsequenzen:
• Die Kombination von Galantamin und wahrscheinlich auch anderen AChEI mit anderen QTc-verlängernden Medikamenten sollte vermieden werden, v.a. bei Vorliegen weiterer Risikofaktoren für eine QTc-Verlängerung bzw. TdP.
• Bei Synkopen oder ungeklärten Stürzen unter Galantamin oder anderen AChEI sollten EKG-Kontrollen erfolgen, v.a., wenn dennoch weitere Arzneimittel mit QTc-verlängernden Eigenschaften gegeben werden. Im Zweifelsfall sollte das Antidementivum abgesetzt werden.
• Leitlinienkonform sollte regelmäßig, z.B. in halbjährlichen Abständen, die individuelle Wirkung von AChEI überprüft werden und ein Absetzen sollte erfolgen bei entsprechend ungünstiger Nutzen-/Risikorelation.
Christian Lange-Asschenfeldt, Düsseldorf; Christian.Lange-Asschenfeldt@lvr.de
Otto Benkert, Mainz; otto.benkert@t-onine.de