Antidepressiva – early improvement bei Generalisierter Angststörung und depressiven Störungen.

Neue Studienergebnisse zur Voraussage des späteren Behandlungsergebnisses anhand der Erfassung einer graduellen Besserung der Symptomatik innerhalb der ersten Behandlungswochen.

 

Grundlagen

Eine frühe, graduelle, mindestens 20%ige Besserung der Symptomatik innerhalb der ersten zwei Behandlungswochen (early improvement) bei depressiven Störungen stellt einen hochsensitiven Prädiktor für eine spätere, stabile, klinische Response dar (Kapitel 1.10.2; 7. Auflage des Kompendium). Durch mehrere kürzlich publizierte Studien (s. unten) konnte diese Empfehlung für depressive Patienten, die sich u.a. auf eine Studie unserer damaligen Mainzer Arbeitsgruppe stützte (Szegedi et al., J Clin Psychiatry 2003, 64, 413), untermauert werden und jetzt auch für die generalisierte Angststörung (GAS) erweitert werden.

Early improvement bei GAS
So ergab sich in einer Analyse von Daten aus drei randomisierten, plazebokontrollierten Studien zur Wirksamkeit von Duloxetin in der Behandlung der GAS (Pollack et al., J Psychiatr Res., 2008; 42: 1176) ein enger Zusammenhang zwischen einer graduellen Besserung der Symptomatik anhand der Hamilton Anxiety Scale (HAMA) nach zwei bzw. vier Behandlungswochen und dem Erreichen einer Response sowie Remission nach insgesamt 9 bzw. 10 Behandlungswochen. Patienten, die keine oder eine nur geringe (<20%) Besserung der Symptomatik nach zwei bzw. vier Behandlungswochen aufwiesen, zeigten hingegen eine geringe Wahrscheinlichkeit einer späteren klinischen Response (28% im Falle des Ausbleibens einer mindestens 20%igen Besserung nach 2 Wochen; 19% im Falle des Ausbleibens einer Besserung nach 4 Wochen) oder Remission (13% im Falle des Ausbleibens einer mindestens 20%igen Besserung nach 2 Wochen; 7% im Falle des Ausbleibens einer Besserung nach 4 Wochen). Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen die Ergebnisse einer Studie von Rynn et al. Depres. Anxiety. 2006; 23: 461), in der eine frühe Besserung der Symptomatik (>20% sowie >40%) in den ersten zwei Behandlungswochen bei GAS sich ebenfalls als positiver Prädiktor für eine spätere Response erwies.

Early improvement bei depressiven Störungen
In Bezug auf depressive Störungen mehren sich Hinweise, die die weit verbreitete Annahme eines verzögerten Wirkeintritts von Antidepressiva oder psychotherapeutischen Interventionen widerlegen und den hohen prädiktiven Wert eines early improvement für das Behandlungsergebnis unterstützen. So bestätigte sich in einer kürzlich erschienenen Analyse von Daten aus 41 randomisierten, klinischen Studien zur Wirksamkeit von Mirtazapin gegen Plazebo oder eine aktive Vergleichssubstanz bei insgesamt 6562 Patienten mit depressiven Episoden der hohe positive und noch höhere negative prädiktive Wert einer frühen Besserung für eine spätere stabile Response oder Remission (Szegedi et al., J Clin Psychiatry. 2009; 70: 344). Eine graduelle, mindestens 20%ige Besserung anhand der Hamilton Depression Scale (HAMD) erwies sich als hoch sensitiver Prädiktor für eine spätere stabile Response oder Remission. Die Spezifität einer frühen graduellen Besserung fiel dabei gering aus, d.h. dass eine frühe graduelle Besserung nicht zwangsläufig in eine stabile Response oder Remission mündete. Hingegen konnte das Ausbleiben einer stabilen Response bzw. Remission für 90% bzw. 96% der Patienten durch ein Fehlen einer graduellen Besserung innerhalb der ersten zwei Behandlungswochen vorausgesagt werden (hoher negativer Vorhersagewert).

Dass eine frühe, graduelle Besserung einen positiven Prädiktor für eine spätere klinische Response und Remission darstellt, konnte auch in einer naturalistischen Studie an insgesamt 795 Patienten mit depressiven Störungen (Henkel et al., J Affect Disord. 2009; 115:439), für Patienten mit leichten depressiven Episoden unter kognitiver Verhaltenstherapie oder medikamentöser Behandlung mit Sertralin (Tadić et al., J Affect Disord. 2009 May 8), sowie für Patienten mit schweren depressiven Episoden unter medikamentöser und zusätzlicher kognitiver Verhaltenstherapie (van Calker et al., J Affect Disord. 2009; 114: 243) bestätigt werden.

Klinische Konsequenzen

-       Bei Ausbleiben einer frühen, mindestens 20%igen Besserung einer depressiven Symptomatik innerhalb der ersten zwei Behandlungswochen sollte die Therapie überdacht und ggf. geändert werden. Diese Empfehlung konnte nun durch weitere Studienergebnisse untermauert werden.

-       Diese Empfehlung lässt sich auf die Behandlung der GAS erweitern. Im Hinblick auf die in der Studie von Pollack et al. bei zumindest einem Drittel (28%) der Patienten ohne early improvement innerhalb der ersten zwei Behandlungswochen im Verlauf noch erreichte Response erscheint hier eine Anpassung der Behandlungsstrategie im Falle des Ausbleibens einer graduellen Besserung nach vier Behandlungswochen erwägenswert.

-       Prospektive, kontrollierte Studien zum Behandlungsergebnis unter Beibehaltung im Vergleich zu einem Wechsel der Therapiestrategie bei Patienten ohne graduelle Besserung der Symptomatik innerhalb der ersten Behandlungswochen liegen noch nicht vor.

 

Francesca Regen, Berlin
Otto Benkert, Mainz

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