Antipsychotika – Diskussion um Risiko eines plötzlichen Herztodes

In einer kürzlich erschienenen Publikation  Ray et al., NEJM 2009, 360:294 wurde darauf hingewiesen, dass nicht nur unter konventionellen, sondern auch unter atypischen Antipsychotika das Risiko für einen plötzlichen Herztod erhöht ist. Die untersuchten Kohorten umfassen ca. 90.000 Patienten mit Antipsychotika und 186.000 gematchte Kontrollen ohne Antipsychotika. Die adjustierte Inzidenzrate für plötzliche kardiale Todesfälle beträgt für Haloperidol und Thioridazin 1,31 (95% Konfidenzintervall 0,97-1,77, niedrige Dosis) bzw. 2,42 (1,91-3,06, hohe Dosis).


Neu ist die noch (leicht) höhere Inzidenzrate für atypische Antipsychotika (angewandt wurden: Clozapin, Olanzapin, Quetiapin, Risperidon) mit 1,59 (1,03-2,46, niedrige Dosis) bzw. 2,86 (2,25-3,65, hohe Dosis).

Speziell für Risiken unter Amisulprid wird auf die Kommentarantwort zu den News vom 15.12.2008 (Antipsychotika – Risikobestätigung für die Verordnung bei der Demenz) hingewiesen.

Klinische Konsequenzen
Bereits in der 7. Auflage des Kompendiums haben wir auf dieses Risiko und die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen für alle Antipsychotika in der Box 6 aufmerksam gemacht:

  • Sorgfältige Beachtung der Komedikation, regelmäßige EKG-Kontrollen (und Elektrolyte) vor Beginn und während einer Behandlung mit Antipsychotika und bei Patienten, die ein erhöhtes Risiko für QTc-Verlängerungen und Torsades de pointes aufweisen, Bestimmung der Serumkaliumkonzentration, ggf. Korrektur einer Hypokaliämie, Anstreben der minimalen therapeutisch wirksamen Dosis und eine medikamentöse Umstellung bei auftretenden Pathologika (QTc > 480 ms, medikamenteninduzierte Verlängerung > 60 ms) könnten zu einer Senkung der erhöhten kardiovaskulären Mortalität schizophrener Patienten beitragen.
  • Bei Vorliegen oder Auftreten kardialer Symptome ist immer eine kardiologische Abklärung notwendig.
    Diese Vorsichtsmaßnahmen gelten uneingeschränkt auch nach der Publikation von Ray et al. Die Forderung nach einer besonders strikten Indikationsstellung für die Verabreichung von Antipsychotika erfährt vor dem Hintergrund der aktuellen Studie zusätzliche Bestätigung.

Matthias J. Müller, Gießen und Marburg
Otto Benkert, Mainz

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