Antidepressiva und Suizidalität – Stand der Diskussion Anfang 2008

Die Frage, ob Antidepressiva das Suizidrisiko, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, erhöhen können, wird weiterhin kontrovers diskutiert.

Nachdem im Oktober 2003 die amerikanische Zulassungsbehörde FDA einen Warnhinweis zu einem möglichen Zusammenhang zwischen einer antidepressiven Behandlung und Suizidideationen und suizidalem Verhalten bei Kindern und Jugendlichen mit entsprechenden Änderungen der Produktinformation von Antidepressiva ausgesprochen hatte, wurde im Mai 2007 der für Kinder- und Jugendliche bereits bestehende Warnhinweis auf junge Erwachsene von 18-24 Jahren erweitert.

Erste Daten zu Auswirkungen der FDA Warnungen bezüglich der ambulanten Versorgung depressiver Patienten weisen darauf hin, dass es nicht etwa wie von der FDA beabsichtigt, zu einer Zunahme des Monitorings beim Einsatz von Antidepressiva, sondern vielmehr – unabhängig vom Alter der Patienten – zu einer geringeren Verordnungswahrscheinlichkeit von Antidepressiva mit einer möglicherweise damit assoziierten erhöhten Suizidrate gekommen ist.

So fanden Libby et al.Am J Psychiatry, 2007, 164:884, dass die Diagnose einer Depression bei Kindern und Jugendlichen nach dem Ausspruch des Warnhinweises seltener gestellt wurde. Unter den Patienten mit einer diagnostizierten Depression zeichnete sich im Vergleich zu den Verordnungszahlen in den Vorjahren eine verminderte Rate an Verordnungen von Antidepressiva ab, ohne dass auf alternative Behandlungsstrategien wie beispielsweise psychotherapeutische Verfahren zurückgegriffen wurde. Valuck et al. Am J Psychiatry, 2007, 164:1198 zeigten, obwohl der ausgesprochene Warnhinweis diese Altergruppe nicht umfasste, eine entsprechende Entwicklung auch bei Erwachsenen auf. Morrato et al. Am J Psychiatry, 2008, 165:42, ob es in Zusammenhang mit der Diagnosestellung einer Depression und der Verordnung von Antidepressiva seit Bestehen der Warnhinweise – wie von der FDA ursprünglich intendiert – zu einer Zunahme der Arzt-Patientenkontakte gekommen ist und fanden, dass es entgegen der Erwartung zu keiner Zunahme des Monitorings gekommen war. Gibbons et al. Am J Psychiatry, 2007; 164:1356 (siehe unsere News:SSRI und Suizidalität) berichten von einer Abnahme der Verordnung von SSRI bei Kindern und Jugendlichen in den USA und den Niederlanden und sehen einen kausalen Zusammenhang zu einer Zunahme der Suizidrate in dieser Altergruppe.

Wie bereits in unseren vorherigen Stellungnahmen wird an dieser Stelle im Hinblick auf Nutzen-Risiko-Abwägungen und möglicherweise verunsicherte Patienten und Therapeuten nochmals darauf hingewiesen, dass unbehandelte depressive Patienten ein höheres Suizidrisiko tragen als jene unter einer antidepressiven Medikation. Die derzeit geführte kritische Diskussion zur Frage des Suizidrisikos unter Antidepressiva sollte nicht etwa dazu führen, Antidepressiva bei entsprechender Indikation nicht zu verordnen, sondern vielmehr dazu Anlass geben, depressive Patienten besonders zu Beginn der Therapie einem engmaschigen Monitoring zu unterziehen.

Francesca Regen, Berlin

Ion Anghelescu, Berlin

Philip Heiser, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie, Freiburg

Otto Benkert, Mainz

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